120 Jahre TV Huchem-Stammeln - Eine Chronik

Geschrieben von Gregor Maxrath

1885 - 2005 

In dem durch Landwirtschaft und Arbeiterschaft geprägten Dorf Huchem-Stammeln fanden sich 1885 Turnfreudige zusammen, die es sich zum Ziele gemacht hatten, die Gedanken des "Turnvater Jahn" in die Praxis umzusetzen. Die Aktivitäten in Huchem-Stammeln wurden gefördert durch die Gründung anderer Turnvereine in der heutigen Großgemeinde, die jedoch allesamt in den 50er Jahren den Betrieb einstellten.

So übernahm der TV 1885 Huchem-Stammeln vor allem nach der kommunalen Neugliederung 1972 die Initiative und versuchte über den Ortsteil Huchem-Stammeln hinaus die anderen Orte mit einem vielseitigen Angebot auf sportlicher Ebene zu erfassen. Neubau von Sportstätten in den Ortschaften erweiterten das Angebot kontinuierlich und heute stellt der TV 1885 Huchem-Stammeln mit seinen über 1.300 Mitgliedern eine Gemeinschaft aus der gesamten Großgemeinde Niederzier dar.

Um so weit zu kommen, waren zum Teil schwere und harte Wege zu beschreiten. Eine Turnhalle oder ein Sportplatz standen bis zum Neubau der Turnhalle in Huchem-Stammeln im Jahr 1963 nicht zur Verfügung. Geturnt wurde in Tanzsälen, nach dem zweiten Weltkrieg in einem provisorischen Gymnastikraum der Schule und bis zur Errichtung der Turnhalle im Jahre 1965 im Saale der Gaststätte Casino.

Trotz dieser Schwierigkeiten zeichnete sich der TV schon durch seine Vielfalt aus. Geräteturnen, Ringen, Gewichtheben, Hinken, Springen, Pyramidenbau und Freiübungen waren die damals dominierenden Turnübungen, die betrieben wurden und man auch im Vergleich mit anderen Vereinen erfolgreich abschnitt, wobei die Mitgliederzahl im Turnverein mit ca. 40 - 50 Mitgliedern relativ gering war.

Am 05.03.1921 veranstaltete der Turnverein zum ersten Mal ein großes Turnfest. Überhaupt war der Besuch von Turnfesten das Bindeglied zwischen dem sportlichen und gesellschaftlichen Treiben. Strenge Anweisungen wurden an jeden Turner erteilt; wer bei den Turnfesten unentschuldigt fehlte, musste mit seinem Ausschluss rechnen.

Das Auf und Ab in dem relativ jungen Verein mit den wenigen Mitgliedern wurde u.a. dadurch dokumentiert, dass zwischen 1923 und 1927 das Vereinsleben zum Erliegen kam. Es war das besondere Verdienst des von 1912 an tätigen Vorsitzenden Stephan Schultheiß, den Verein wieder zu beleben.

Mit dem Dritten Reich kam 1937 der Untergang des Turnvereins.

Am 05.09.1948 gründeten 13 Mitglieder den Turnverein nach dem zweiten Weltkrieg neu. Am 08. Mai 49 hielt man schon das erste Turnfest in Huchem-Stammeln nach dem Kriege.


Turnfest in den 50er Jahren Festumzug in der Grabenstraße

Bald stieg die Mitgliederschaft auf ca. 40 Aktive an; alles schien auf einen neuen Auftrieb hin zu deuten. Mit steigendem Wohlstand wurden aber die Anforderungen zur sportlichen Betätigung größer und die Angebote zur Freizeitgestaltung nahmen überhand, wobei vor allem die Leichtathletik stark die Überhand gewann. Da keine Leichtathletikanlage zur Verfügung stand, blieb nur die Straße, die Feldwege und teilweise die im Rohzustand fertige Autobahn Köln - Aachen als erste Trainingsstrecke für die Langstreckler. Hans Pelzer, Peter Rütten, die Gebrüder Katterbach und viele andere gründeten die Langlaufgruppe, die sehr schnell auch bei den Wettkämpfen im Kreis Düren nicht nur zahlenmäßig sondern auch leistungsmäßig auf sich aufmerksam machte. Als dem Turnverein dann Mitte der 50er Jahre die provisorische Turnhalle in der Schule, die vorher als Notkirche diente, zur Verfügung gestellt wurde, wurde auch das Turnen wieder durch den Einsatz der Gebrüder Willi und Paul Katterbach aktiviert. Die aktiven Turner des Turnvereins zählten bald zu den erfolgreichsten Teilnehmern bei den Turnfesten zwischen Köln und Aachen.

Die Turner waren es, die durch Fahrten nach Holland, England, Finnland, CSSR und Polen bereits ab den 50er Jahren Kontakte nach draußen suchten und auch fanden.



Josef Breuer (Broich)
1885 - 1912

Stephan Schultheis
1912 - 1921 u. 1923 - 1937

Josef Lingens
1948 - 1960

Martin Weitz
1921

Karl Peterhoff
1922

Hans Pelzer
1961 - 1986

Jean Gregor Maxrath
1986 - heute

Am 30. August 1991 konnte dann das unter Führung von Willi Nießen größtenteils in Eigenleistung errichtete Clubheim in einem grandiosen Festakt mit Vereinsfest eingeweiht werden.


1. Tennisclubmeisterschaft auf der neuen Anlage 1981

Einweihung des Clubheims am 31. August 1991

Die Sportmöglichkeiten im zentralen Ortskern der Gemeinde Niederzier mit dem Schul- und Sportzentrum Oberzier verlagerten die Mitgliederzahl immer mehr auf den gesamten Gemeindebereich Niederzier. Ein weiterer Schritt dazu war dann die Eröffnung der Großsporthalle in Oberzier, die am 13. März 1976 die Gründung einer Handballabteilung mit sich brachte. Unter Leitung des Abteilungsleiters Horst Slabik begann man mit einer Männermannschaft, die auch heute recht erfolgreich unter Leitung von Roland Pick tätig ist. Die Radsportabteilung, gegründet von Josef Wirtz, etablierte sich am 01.09.1990. aber auch in den 90er Jahren wurden neue Wege beschritten. So wurde unter der Führung von Peter Otten und Willi Nießen die Boule-Abteilung gegründet, die am 26. August 1998 die eigene Boule-Anlage einweihen konnte.

Der Kraftsport wird seit 1995 in eigener Halle am Sportzentrum an der Gesamtschule ausgeübt. 1995 war auch das Gründungsjahr der Jazz-Dance- und Aerobic-Abteilung, die unter der Leitung von Cäcilia Schöten-Ketz einen großen Nachholbedarf, gerade im Kinderbereich, abdeckt.

Aber auch Trendsportarten wie Badminton, Seniorenturnen, Basketball und Judo fanden Heimat in unserem Großverein, der im Jahre 2001 das 1.500. Mitglied begrüßen konnte.

Die Rezession und die vom DSB geforderte Beitragserhöhung führte dazu, dass inaktive Mitglieder austraten und den Verein vornehmlich heute nur noch von ca. 1.300 sportlich Aktiven getragen wird.

Gesellschaftlicher Mittelpunkt vor 80 Jahren lag war das sog. Winterfest. Da der Zuspruch zu diesem Sportlerball von Jahr zu Jahr abnahm, wurde dieses Fest letztmalig am 08.11.2003 gefeiert. Diese Veranstaltung soll in neuer Form ab 2005 wieder aufleben.

Aushängeschild des Turnvereins sind jedoch die Leichtathleten, die neben den eigenen Veranstaltungen vor allem durch gute Leistungen auffielen. Ich verweise hier auf die Chronik von Hans Pelzer in den Berichten der Leichtathletik-Abteilung auf dieser Website.

Am 17. März 1986, Hans Pelzer war zu diesem Zeitpunkt mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland für seine hervorragende Arbeit als Vorsitzender des Turnvereins und für seine Arbeit auf dem Sportgebiet ausgezeichnet worden, nahm der Verein einen Wechsel im Vorstand vor. Ich übernahm das Amt des ersten Vorsitzenden; für den ebenfalls ausscheidenden ersten Stellvertreter, dem damaligen Bürgermeister der Gemeinde Niederzier, Peter Willems, trat Peter Kalinowski ein. Ihm folgten später Rolf Körner und heute Hubert Wolf und Klaus Lübben, alles Vorstandsmitglieder, die seit Jahrzehnten im Verein u.a. auch als erfolgreiche Sportler, tätig waren und zum Teil auch heute noch sind.

Wegen ihrer Verdienste für den Großverein wurden 1996 Hans Pelzer, 2002 Peter Willems und 2004 Peter Kalinowski zu Ehrenmitgliedern des Vereins ernannt.


Die 3 Ehrenmitglieder im Kreise des Vorstandes v.l.n.r.: Hans Pelzer (1.), Peter Willems (4.), Peter Kalinowski (7.)

Der Turnverein hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, die internationalen Kontakte zu pflegen. Waren es speziell die Langläufer, die früher nach Haywards Heath, England, fuhren, so war es der Turnverein, der als erster Sportverein in der Gemeinde Niederzier Kontakt zu Sportlern in der Partnerstadt Vieux Condé in Frankreich aufnahm. Unvergessen war der vom Turnverein organisierte Staffellauf im Juni 1989 von Niederzier nach Vieux Condé.

Empfang 1989 im Rathaus von Vieux Condé
Wiederum war es der Turnverein, der es auch übernahm, die Partnerschaft zu der Stadt Bleicherode in Thüringen aufzunehmen und die erste gemeinsame Sportveranstaltung der drei Partnerschaftsstädte Niederzier, Vieux Condé und Bleicherode am 15.06.1991 in Bleicherode organisierte.

Viele der Sportler haben den Geist der Wiedervereinigung unseres Landes hautnah, sowohl am 03.10.1990 in Bleicherode, als auch bei den drei "Spielen ohne Grenzen", den LA-, Handball- und Tischtennisbegegnungen zwischen den drei Kommunen miterlebt.


Partnerschaftskomitees Niederzier / Bleicherode / Vieux Condé bei der Vorbereitung des 2. Spiels ohne Grenzen in Bleicherode 1996

In den 120 Jahren seines Bestehens hat der Turnverein sich stets um den Breitensport eingesetzt. Veranstaltungen wurden und werden mit großer Aufopferung und Sachkenntnis erfolgreich ausgeführt. Zahlreiche engagierte Mitarbeiter stehen aufopfernd dafür ein, dass wir nach unseren Prinzipien "Frisch - Fromm - Fröhlich - Frei" für den Turnverein 1885 Huchem-Stammeln da sind.

Möge dem Verein eine weitere erfolgreiche Zukunft beschieden sein.